Ich war da. Endlich war auch ich einmal wirklich selbst da, bei Burgy Zapp`s Künstersalon. Hatte schon so viel davon gehört und mir natürlich auch alles, und fast alle der unzähligen Bilder, im Internet angesehen, aber ich war noch nie wirklich da, bis zum 9. Künstlersalon Berlin, Ostern 2008 in der Schwedterstraße 21.
Ein Artikel von Isabella Pridat
Und es war anders. Ganz anders. Erwartet hatte ich eine Party mit Kunst. Ja, es wurde auch getanzt, später. Aber die Kunst stand im Vordergrund und die Künstler im Mittelpunkt und die Stimmung war eindeutig nicht Party-Stimmung.
Es wurde gekämpft, gekämpft um Meinungen zu den Bildern, gekämpft um Selbstverständnis seitens der Künstler, gekämpft um Ruhe bei den Lesungen, die einen wollten unbedingt zuhören, die anderen wollten sich mal schnell selbst profilieren.
Es wurde gekämpft um Meinungen zu den gelesenen Texten, gekämpft um intuitive Erfassung der vorgetragenen Gesänge und Texte. Die Künstler wurden zutiefst bewundert, kalt missachtet, von Herzen verstanden.
Die Künstler kämpften um Verständnis und Anerkennung. Die facettenreichen bunten Menschenmassen, die sich im Verlauf des Abends und der Nacht zäh durch die vollen Räume von Gruppe zu Gruppe weiterbewegten, haben sie nicht nur bewundert und verstanden, sondern auch durch tatsächliche und vermeintliche Rücksichtslosigkeit in der Debatte oder im Verhalten irritiert.
Die Künstler kämpften um Anerkennung ihrer Werke und in der Diskussion um Verständnis ihrer Bilder und ihres Schaffens. Sie beklagten sich bei anderen und wieder entbrannten heiße Debatten ob die Irritationen tatsächlich oder nur in der eigenen Vorstellung des Künstlers existent seien.
Und alle waren da. Die Künstler und die Besucher – letztere, wie in Burgy Zapp`s Künstlersalon vorgeschrieben, entweder in Abendgarderobe, so auf dem breiten Sofa des Lesungs- und Vortragsraumes – sehr stilvoll! – oder aber in mit Bedacht konträr gemischten Be- und Verkleidungen; all dies ein wesentlicher Beitrag zur visuellen Verdeutlichung der verschiedenen Welten, die hier aufeinandertrafen und sich in einem kreativen Strudel mischten.
Wie soll man die Künstler im Rückblick ordnen? Denn sie beschränken sich in ihrem Schaffen nicht ordentlich auf einen Bereich, wie etwa ein Broker nur mit Aktien handelt. Da war Gunnar Schulz, von dem nicht nur das große, auf den ersten Blick heitere, Bilder-Arrangement am Buffet in der Küche, dem Ort der heißesten Debatten, stammt, sondern der auch tiefgründige und witzige eigene Texte schreibt und vorträgt.
Im Lesungs- und Vortragsraum trug Jörg Janzer als einer der ersten aus seinen wirklich bewundernswerten ernsten Gedichten vor – er saß, welch ein Kontrast, wie alle Vortragenden vor dem Bild Große „Orgie“ von Constantin Schroeder, während sein eigenes, aus menschendefinierenden tiefen Gedanken geborenes schwarzes Monumentalwerk „Leck mich am Baselitz“ ebenfalls in der Debattierküche hing.
Unmittelbar vor diesem Bild hielt Schädelwaldt am Buffet sitzend Hof, im freundlichen und beobachtenden Gespräch mit zwei Musen. So saß er stundenlang, mit Blick auf seine eigenen hier ausgestellten Werke „Depressionskopf (mit Brustschädel)“ und „Torso mit Erektionsschädel“, während sich wechselnde Gesprächspartner zu dieser Gruppe gesellten und wieder herausfielen.
Doch auch die Musen traten in einer Doppelrolle auf: die liebenswerte „Marion Antonjadis“ mit den Glitzeraugen ist gleichzeitig Künstlerin, eine phantastische Sängerin. Das kann ich bezeugen, obwohl sie nicht an diesem Abend sang sondern erst am Ostermontag auf der Lesebühne Brandmelder, moderiert von Burgy Zapp. Hier, beim Künstlersalon, war sie nur Muse und debattierende Künstlerin.
Apropos Debatte – hier am Buffettisch saß und stand im bewegten Gespräch mit unterschiedlichen Gruppen auch fast die ganze Nacht lang Arno Lüning – fast, weil auch er einen ganz wesentlichen Betrag zum kreativen Teil der Veranstaltung durch seine mit Gitarrespiel eingeleiteten, später im Dielenbereich vieldiskutierten, Lesungen beitrug. Nun glauben Sie ja nicht, ich hätte alle Künstler, die die Debattierküche und den Leseraum bevölkerten hier genannt – ich konnte ja gar nicht mit allen sprechen, es waren ja so viele Menschen da und der Trubel war groß.
Lange Zeit verbrachte ich auch im Dielenbereich, der auf der ganzen Länge Anlaß zu Kunstgesprächen in Form der vielen bis zur Decke hängenden Bildern bietet. Besonders interessant fand ich den Vergleich der Kommentare, die ich zu einem bestimmten Ausstellungsbereich hier über die vielen Stunden hinweg von den unterschiedlichsten Besuchern erfragte – hier profilierten sich Pseudokunstkenner mit äußerst kritischen Bemerkungen über alles und jedes, hier wurde sich sorgfältig hineingedacht und Begeisterung fundiert begründet und ausformuliert.
Im ruhigeren, hinteren Spiegelbereich bildeten sich im Laufe des Abends immer wieder beständigere Gruppen – hier traf ich zum Beispiel den Künstler Yann Sommer, den Kunstmanager Aurel Thurn, die Psychologin Dagmar, den Literaten Philipp Koch und Claudia Brendel.
Während der mittlere Bereich aufgrund des Durchgangsverkehrs zwischen Debattierküche und Lesungsraum, der direkt am Eingang abzweigt, naturgemäß schon einen lebhafteren Wechsel aufwies. Doch auch hier hielten sich beständige Gruppen, so etwa das Model Anna Schenk-Rollmann, die im 50iger Jahre Kostüm erschienen war.
Am unruhigsten war es bei den Gesprächsgruppen direkt am Eingang, in die ständig Neuankömmlinge einbrachen, vor allem, als dann nach den Lesungen zu fortgeschrittener Stunde dort die Tür zum Vortragsraum offen blieb, wo zu heißen Rhythmen getanzt wurde, während sich der dahinter liegende kleinere Bett-Ruhe-Garderobe-Raum in den Schauplatz einer platonischen, wenn auch keineswegs unerotischen Orgienszenerie mit zwei Damen und mehreren Herrn verwandelte.
Von 19.00 Uhr bis 4 Uhr früh herrschte lebhaftes Kommen und Gehen der insgesamt gut 150 Künstlersalon Gäste, wenn auch etwa die Hälfte, vornehmlich die Künstler, den ganzen Abend blieben – beziehungsweise ein ansehnlicher harter Kern tatsächlich noch zum Frühstück am Ostersamstag gegen 7.00 Uhr die Reste des opulenten Buffets bei jetzt ruhigeren Gespächen in der Debattierküche bis auf die letzten Krümel verputzte.
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