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Plagiate, Lügen und andere Höflichkeiten

9. Februar 2016 by Burgy Zapp Leave a Comment

Über den Nutzen und Schaden von Lügen in Kunst und Gesellschaft

Artikel von Burgy Zapp
Summary
Die Lüge genießt einen schlechten Ruf, ist aber zunächst nur ein neutraler Mechanismus der Logikstruktur: Wahrheit wird nicht oder gegenteilig kommuniziert.

Das Ich und die Gesellschaft – eine semi-psychologische Einführung

Bei einem Hochzeitsessen, das Essen schmeckt mir scheußlich, auf den Geschmack hin angesprochen antworte ich, „es sei sehr lecker“. Die Lüge ist hier ein höfliches Luftkissen, es mag zwar nichts drin sein, aber es mindert die Stöße des Lebens. Die Lüge als Wirtschaftsgut. Reichtum war stets etwas materiell Manifestiertes, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, daß eine Idee großen materiellen Reichtum erzeugen kann und somit bereits schützenswert ist. Zu Ende gedacht, ist das gültige Konzept des geistigen Eigentums, angesichts der heutigen weltweiten Zugänglichkeit zu Gedachtem, Formuliertem, Geschaffenem äußerst problematisch, da wir alle bei der Geburt bei Null anfangen. Die Crux liegt darin, daß hierbei fast immer der Anteil des Neuen als Eigenleistung – das Neue – extrem gering, bis nicht vorhanden ist. Aber ist die Übernahme von „geistigem Eigentum“ wirklich Diebstahl? Wer will den Anteil des Neuen bewerten? Sind 98% der Künstler, Regisseure, Musiker, Journalisten wirklich Diebe? Oder macht die Umformulierung einer Idee, eines Konzepts dieses zur Eigenleistung? Ist eine in Auszügen abgeschriebene Doktorarbeit nicht ohnehin als in sich vollständig, d.h. anhand der gemachten Aussagen aufzufassen? Ist die heutige geistige Leistung auch im Bereich der Kunst mehr Umformulierung als Schöpfung? Wie hoch ist der Anteil des Neuen in jeder einzelnen neuen Kunstrichtung seit den Höhlenzeichnungen? Ist beispielsweise das Ideengut der Präraffaeliten ein Sammelsurium von Plagiaten?

Die Kunst als intelligentes & kultiviertes Spiel für erwachsene Eliten

Wir halten fest: Ohne Lüge funktioniert weder unser Selbstkonzept, noch unser Freundeskreis oder die Gesellschaft. Auch im Kunst-Markt lügen alle irgendwie. Fangen wir bei der Kollektivlüge an: Das Original. Das Original ist das Original, es ist einzig und sogar die eineiige Schwester des Originals küßt anders. Aha! Jedoch bereits die alten Meister hatten Werkstätten, in denen „ihre Originale“ von ihren Helfern zu wechselnden Anteilen gefertigt wurden. So können die ersten Manifestationen von Ideen, die Entwürfe und Skizzen zu ganz besonderen Bildern durchaus mehr original (vom Meister) sein als ihre resultierenden Ölbilder. Weiter: Ist ein sehr ähnliches Bild ein Plagiat? Das Original ist ein präziser Begriff mit dem wir uns alle selbst belügen, um ein spannendes und hoch kultiviertes Spiel spielen zu können: den Besitz von etwas Einzigartigem mit kultureller Bedeutung. Das ist – wenn man es sich bewußt macht – tatsächlich etwas sehr Besonderes. Das Kunstwerk gehört nicht nur der mythischen Struktur (manifestierte Legende) sondern auch der magischen Struktur an (Artefakt). Es sagt: „Ich bin kultiviert, weil ich Kunst bin.“

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Künstler verstecken ihr Erzeugnis auch gern hinter dem stets jungfräulichen Tuch des Unverständlichen. „Nein, das sind nur ein paar Punkte, hier handelt es sich um ein Mißverständnis auf Leinwand, junger Mann.“ Wer traut sich das, denn das Szenario erinnert an das Märchen von des Königs neuen Kleidern. Die Widerlegung ist eine Frage des guten Geschmacks, er kann jedes Werk enttarnen. Nach dem Künstler kommt sofort der Galerist. Hier reiht sich bereits die zweite große Lüge an, die Fortschritt-Lüge-des-Entdeckens. Ist das Kunstwerk wirklich bahnbrechend NEU und somit im engeren Sinne Kunst, ist es praktisch unverkäuflich. Alle Freunde des Käufers stehen perplex und drohend vor dem neuen Werk: „Mann was für eine Scheiße ist das denn“ sagen sie ganz ehrlich, oder höflicher: „Den Künstler kenne ich nicht, wer oder was ist das.“ Das Kunstwerk darf also nicht revolutionär sein, muß aber um so mehr Wiedererkennungswert zu seiner Marke haben, um auf den Betrachter, der es ja „einordnen“ will in bekannte Denkmuster, nicht verunsichernd zu wirken – nicht unberechenbar, das ist unhöflich. Das Etikett enthält: kultiviert, einmalig und besonders, weil von XY. Sobald ein Galerist also sagt: „entdecken“ und hiermit „Das Neue“ impliziert, lügt er mit großer Wahrscheinlichkeit. Kunst ist eine positive Referenz. Also Kunst an die Wand, das ist dekorativ (nicht nur im Sinne von schön) und nebenbei spricht sie auch mit ihren Betrachtern über ihre oft existenten Inhalte. Baaam, das gefällt mir, kaufen. Zack, Nagel mit Hammer in Wand, Bild in Rahmen, Rahmen an Wand – fertig; gut ist das: Jetzt hängt ein Kulturzertifikat an der Wand und es gefällt mir.

Klingt gut, wäre gut, ist aber sehr schwer. Können die anderen mein Kultur-und-einzigartig-Zertifikat denn überhaupt lesen? Antwort: Nein, nur wenn der Künstler berühmt ist.
Ups, verlegen überlegt: „Ich kann doch den unkultivierten Leuten nicht erst erklären, daß das Bild genial ist. Das Werk muß für mich, nicht ich für das Werk sprechen“, besser schnell das Ding zurück geben und lieber einen Namen mit Bild daran kaufen.
Jetzt ist der Wert des Bildes nur noch das Etikett und es lügen „Der Künstler, sein Galerist, dessen Sammler und deren Besucher“ im Einklang. Nun gibt es noch zwei offene Posten zu vergeben, rein strukturell, versteht sich:
Der Kritiker und der Kunsthistoriker.
Ja, der Kritiker. Auch der Journalist ist ein Mensch, entsprechend muß er Geld verdienen und in vielen Fällen in Rücksicht auf die Geldgeber keine negative Kritik üben.
Und indem er sehr kultiviert nichts sagt, ist er im Einklang mit seinem sozialen Universum. Neue Wege gehen auch die Museums-Direktoren, sie sind zusehends von leeren Kassen deprimiert und neigen zur Wirtschaftlichkeit. Ausstellungswert setzt sich eventuell nur noch aus zugkräftigen Namen und Museums-Einnahmen zusammen.
Die meisten Akademien waren schon immer nur fortführendes Organ der Meister, und bitte nichts allzu Neues schaffen und bloß kein Risiko eingehen, worin dann auch ihr großer Wert für den Markt liegt: „solide & verkäufliche Produkte“.
Endlich noch die letzte Bastion der Kunst: der zur Gegenwart schweigende Kunsthistoriker. Dieser hat die Aufgabe, das-große-Unfaßbare-der-Kunst zu konzentrieren, mit wissenschaftlichem Anspruch und echtem Inhalt zu adeln. Am Ausmaß seines Schweigens zur Gegenwart läßt sich unmittelbar die Qualität des Kunst-Historikers ableiten. Ist er so arriviert, daß er mutig sein kann, so verhilft er vielleicht auch einer frisch gegründeten Künstlergruppe zu Akzeptanz und Ansehen.
Auch heute gibt es Ausnahmen. Immer wieder gelingt es dem Kunstmarkt, einen bedeutungsarmen Kunsthandwerker zum großen Künstler zu adeln oder einen unentdeckten wirklichen Künstler nicht erst posthum zu entdecken. Aber das spricht dann für die hohe Qualität der Galerie, ihrer Kritiker und Sammler. Sie haben das gesellschaftliche Spiel der Kunst-Kultur am besten gespielt und gewonnen.
Eine modernere Perspektive lautet so: Kunst ist nicht erst seit dem neuen Bürgertum der letzten 100 Jahre das intelligente, aufregende, soziale, gebildete und sicher kultivierteste Spiel. Eines ist und bleibt wahr, wir lieben die Kunst, denn sie ist wie wir, ein einzigartiges, fehlerhaftes und liebenswertes soziales Wesen.

Über den Autor:

Burgy Zapp hat Soziale Verhaltenswissenschaften, Philosophie und Statistik studiert und ist als Wissenschaftsjournalist, Schriftsteller und Künstler in Berlin tätig. Als privater Gastgeber und Kurator des Künstlersalon Berlin ist er eine Konstante des Berliner Kunst-Betriebs. Mit den 7 Kunst-Theorien entwickelte er ein System der Wissenschafts-Wissenschaften zur Betrachtung und Entwicklung von Kulturgut. burgyzapp.de

Veröffentlichung

Dieser Artikel wurde erstmals im Morgenstern Journal veröffentlicht. Morgenstern Stiftung – Journal

Filed Under: Artikel Tagged With: Höflichkeit, Kunst, Kunstbetrieb, Kunstmarkt, Lüge, Plagiate

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