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ein neues Leben – mit der Kunst
Autor Burgy ZappSummaryIch bin sehr fixiert auf Berührung und ich mag es, wenn man etwas in die Hand nehmen kann und seine Natur erfühlen kann. Ich sehe manchmal Sachen, einen ganz normalen Stein beispielsweise, den andere zur Seite schießen würden, da kann ich oft Kunst darin sehen, die von der Natur geschaffen wurde.Burgy Zapp: Was hast Du früher beruflich gemacht und wann ist früher?Henry Dräger: Gelernt habe ich Karosserieklempner – noch zu DDR Zeiten – habe aber nicht in dem Beruf gearbeitet. Ich habe verschiedene andere Berufe in der Metallbranche ausgeführt: Schweißer und Schlosser, aber auch andere Berufe: Tischler, Gebäudereiniger, Hausmeister und so weiter habe ich ausgeübt.
Burgy Zapp: Du hattest ein schweres Alkoholproblem, welche Folgen hatte dieses für dein Leben und Deine Arbeit?
Henry Dräger: Ich bin aufgrund meiner Alkoholabhängigkeit aus dem sozialen Leben gefallen, habe meinen Job verloren, das ging so weit, dass ich schließlich im Gefängnis gelandet bin. Ich rede über mein Leben davor. Ich habe etwas wirklich schlimmes gemacht, das wollen sie jetzt gar nicht wissen, sonst reagieren Sie, wie damals die anderen Menschen reagiert haben und verurteilen mich für etwas was ich nicht mehr bin. Letztendlich hat mich die Gesellschaft ausgesperrt.
Burgy Zapp: Die Gesellschaft hat beim Strafmaß für fast alle Taten einen Konsens gefunden, bzw. eine Entscheidung getroffen: Wann einem Menschen seine Taten vergeben werden und er Reue getan hat muss ich als Einzelperson nicht beurteilen. Aus diesem Grund muss ich hier im Interview nicht wissen, was passiert ist. Was haben Sie in Ihrem nächsten Lebensabschnitt gemacht und wie haben Sie sich geholfen?
Henry Dräger: Ich bin aus dem Gefängnis raus, bin nach Berlin gezogen. Hier habe ich eine Therapie begonnen und bin parallel zur Malerei gekommen. Ich habe bereits vorher gemalt, aber jetzt habe ich meinen Kontakt intensiviert. Die Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Schaffen war für mich so etwas wie eine Therapie. Die Malerei hat mir soweit geholfen, mein Leben in die Reihe zu bekommen und wieder zu mir selbst zu finden. Auf diesem Weg bin ich verschiedenen Menschen begegnet, die mich in der Malerei inspiriert haben. Das hat mich zu verschiedenen Fasen gebracht und meine Arbeits- und Darstellungsweise hat sich mehrmals verändert.Ich habe einen Fehler begangen und werde im Namen des Volkes verurteilt, verbüßt meine Strafe, dann wird man entlassen. Dennoch werde ich von der Gesellschaft weiterhin verurteilt, ausgeschlossen. Obwohl ich mich verändert habe bemüht sich die Gesellschaft nicht, ihr Bild zu revidieren, sondern verurteilt einen auf Lebenszeit. Dieses Gefühl der Ausgegrenztheit musste ich verarbeiten, für mich war der richtige Weg, die künstlerische Darstellung und Gestaltung.
Entweder ich bin verbittert, oder ich komme aus meine Verbitterung heraus und finde einen Weg die inneren Konflikte zu verarbeiten, das habe ich gemacht. Ich habe immer Menschen getroffen, die mein gesamtes Leben kannten, mich als Menschen betrachtet haben, der über die Kompetenz verfügt, sich selbst zu verändern. Dafür bin ich sehr dankbar, dies hat mir die Chance gegeben, mich weiter zu entwickelt, als Mensch meine ich.
Burgy Zapp: Du hast mir im Vorfeld gesagt, dass Du mit der Malerei zwar nicht gebrochen hast, Du aber feststellen musstest, dass dir die Malerei und Ihre Arbeitsergebnisse nicht mehr befriedigen. Kannst Du mir das erläutern und wohin entwickelst Du dich ?
Henry Dräger: Es war zum damaligen Zeitpunkt gut gewesen, ich konnte mit den Resultaten zwar gut leben, aber es hat mich gegen Ende auch nicht mehr begeistert. Ich kann mich mit dem Medium der Malerei nicht mehr so gut selbst ausdrücken. Es hat eine Entwicklung stattgefunden, die den künstlerischen Prozess verändert hat. Ich habe Skulpturen von Rhodin gesehen und mich sofort verstanden gefühlt, ich wusste auf diese Weise kann ich mich viel besser ausdrücken, jetzt wie ich bin, wie ich denke und was ich sagen will.Mein großer Traum ist es, riesige Skulpturen aus Metall zu schaffen. Auch andere Medien wie Ton, Marmor, Speckstein interessieren mich. Erstaunlich ist es, dass mir sofort klar war, wo ich hin will, wie die Resultate aussehen werden und dass ich mich mit diesen Resultaten sehr wohl fühlen werde. Ich bin gespannt wie sie die neue Sache entwickelt, welche Materialien mir besonders liegen und womit ich mich am besten ausdrücken und darstellen kann. [Wird ganz aufgeregt, Gestikuliert und fährt fort] Ich habe wirklich riesige Lust Skulpturen und natürlich auch Installationen aus Schrott / Alltagsschrott zu schaffen, meine Träume zu schweißen und meinen Visionen bei der Entstehung zuzusehen. So wie ich eine Wiedergeburt in meinem Leben erfahren habe, so will ich aus alten Materialien neues Leben (Kunst) erschaffen.
Burgy Zapp: Was hat die Veränderung bei Dir herbeigeführt, warum bist Du auf die Ausdrucksform der Skulpturen umgestiegen?
Henry Dräger: Es gibt eigentlich nur eine Antwort. Ich bin sehr fixiert auf Berührung und ich mag es, wenn man etwas in die Hand nehmen kann und seine Natur erfühlen kann. Ich sehe manchmal Sachen, einen ganz normalen Stein beispielsweise, den andere zur Seite schießen würden, da kann ich oft Kunst darin sehen, die von der Natur geschaffen wurde. Seine Formgebung, die Texturen, die Beschaffenheit der Oberfläche, all das kann sich spontan für mich zum Kunstwerk formieren.Vor zwei Jahren habe ich eine Muse kennen gelernt, die mich wach geküsst hat. Sie hat mir einen Impuls gegeben, mich noch einmal zu verändern – zu meinem wahren ich. So hat die erneute Entwicklung begonnen, die jetzt bereits als Ergebnis wahrgenommen wird, obwohl sie noch im Gange ist. Ich war in der Entwicklung eigentlich schon viel weiter als ich im Künstlersalon war, aber der Schubs es tatsächlich auch umzusetzen kam dann im Künstlersalon von Burgy. Nachdem ich jetzt begonnen habe, geht es mir leichter von der Hand, leichter es mir jemals etwas von der Hand ging. Ich fühle mich durch das Medium an sich immer wieder neu inspiriert – auch an der Vision zu bleiben und sie auch umzusetzen.
Es war also eine Muse nötig die mich wach küsst und mein wahres ich zu erkennen. Das wahre ich, dass ich für mich entdeckt habe lebe ich mit allen Konsequenzen aus. Ständig bin ich von Egomanen umgeben, wenn man sozial eingestellt ist wie ich, dann ist es oft schwer mit dem Unterschied umzugehen und dennoch sich selbst bewusst – na ja – auch selbstbewusst auszuleben; seinen Visionen und Idealen treu zu bleiben.
Burgy Zapp: Bist Du ein Künstler? Betrachten Du dich als Künstler?
Henry Dräger: Ich bin Lebenskünstler, ob mich die Gesellschaft nun als Künstler sieht ist mir völlig egal, ich will mich künstlerisch ausdrücken und mich künstlerisch selbst verwirklichen, das kann ich auch ohne die Gesellschaft. Obwohl auch immer ein Abhängigkeitsverhältnis vorhanden ist, aber mein Umfeld steht mit mir im Dialog, inspiriert mich und ich hoffe mit meiner Kunst ein Stachel in der Gesellschaft zu sein, die mich ausgegrenzt hat. Ich bin aber hier und meine Kunst ist ein piksendes Hinweisschild im bequemen Teil der Gesellschaft. Ich existiere, auch wenn ich bereits sehr früh abgeschrieben wurde.
Burgy Zapp: Woran arbeiten Du im Moment?Henry Dräger: Zur Zeit arbeite ich an einen Projekt, wo ich ein Teil meiner Lebens -und Suchtgeschichte darstellen möchte. Es ist schon eine spannende Sache wie durch Verwendung von verschiedenen Materialien etwas entsteht was ein Teil meines Lebens war und auch noch heute in Gedanken abrufbar ist.
Burgy Zapp: Ich bedanke mich ganz herzlich für das offene Interview. -
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