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Ein Tag im Leben eines Schriftstellers
Autor Burgy ZappSummaryErzählen Sie mir von einem normal anstrengenden Tag in ihrem Leben als Schriftstellers; und welche Konflikte dieser Beruf in Ihrem Leben erzeugt!Schlaftrunken stolpere ich aus dem Bett, der letzte Gedanke von gestern Abend hängt noch bleischwer in der Luft, in die Küche mit dem aufgeklappten Notebook in der Hand, Wasser in Kocher, Kocher an, Milch, Zucker, Tee. Tee in Kanne, Wasser auf Tee in Kanne, Tasse aus Schrank auf Untertasse von gestern, Löffel mit einem Ruck von Untertasse lösen, Zucker schaufeln, Notebook piept, Finger über Sensor, Notebook piept noch einmal und startet. Endlich mein Text. Ah ja, Antalia springt gerade durchs Fenster im freien Fall ins Meer, der Helikopter dröhnt durch den peitschenden Wind.Hauptberuflich bin ich Schriftsteller, aber bereits in einigen Stunden erwarte ich als Gastgeber des Künstlersalon Berlin Künstler, Bildhauer, Schriftsteller, Schauspieler, Galeristen, Sammler, Journalisten, Verleger, Regisseure und Produzenten; es ist Eile geboten, wenn ich den Roman 8, Billiges Personal noch einige Seiten veranpeitschen will. Ich sitze am Schreibtisch, in der Küche wird der inzwischen vergessene Tee kalt, eigentlich müsste ich den Text von gestern noch überarbeiten, aber der Gedanke will vollendet werden und so lasse ich Antalia erstmal etwas Wasser schlucken.
Die elektronische Musik erhöht mein Herzrasen, vor Minuten habe ich noch geschlafen, jetzt schreibe ich mit 420 Anschlägen in der Minute – einige Schriftsteller sterben mit 30 denke ich und hole mir vor der ersten Zigarette – ich höre regelmäßig das Rauchen auf – meinen Tee. Schluck, schluck, das Telefon klingelt, ohhh, es ist bereits 14 Uhr, ich habe 17 Stunden geschlafen und dann 10 Seiten geschrieben, mein Tagespensum sind zur Zeit 25 Seiten neu schreiben und 25 Seiten überarbeiten. Nach 12 Tagen ist der Roman fertig. Stimmt nicht, erst ich, das Erstlektorat, nochmal ich, das wissenschaftliche Lektorat, nochmal ich und das Schlusslektorat und dann nochmal ich werden den Roman noch 1 Jahr lang durch die Postproduction schleifen, bis mir jedes Wort … „Burgy, na endlich, ich wollte nur sagen, dass ich jetzt mein Bild vorbeibringe, und kann ich einen Freund mitbringen, er ist Dichter und wollte heute Abend ein Gedicht vortragen, das bringe ich natürlich auch mit, du kannst es ja dann noch lesen.“ Ich kann es ja dann noch lesen? „Hallo“ erwidere ich verdattert, und denke in Wirklichkeit an die Postproduction, ich muss unbedingt noch die für Buch 2 relevanten Änderungen, die sich mit dem neuen Buch – an dem ich jetzt gerade schreiben wollen würde – ergeben haben übertragen. Ich telefoniere kurz, ich muss noch einkaufen gehen, das Buffet und Modelfood für die Gäste, außerdem muss ich noch ein paar Bilder hängen, duschen muss ich und essen darf ich nicht vergessen.
Tee ist noch in der Küche, ich greife eine Vitamintablette, eine Tablette Gehirnnahrung und zwei weitere Antiaging und Lebensmittelergänzungstabletten, runterschlucken – ohne Wasser. Ich schreibe noch drei Seiten, die Musik ist laut, meine Beine folgen ihr nervös und Hände fliegen über das Notebook. Mir wird furchtbar schlecht, ich gehe schnell in die Küche und trinke Tee, Kühlschrank auf, wo sind eigentlich meine Mitbewohnerinnen, meine Exfreundin wollte mir noch Einkaufen helfen, Tür klingelt. Ich renne in mein Zimmer und hole den Bademantel, werfe ihn über meinen Pyama und speichere meinen Text mit dem Notebook in der Hand auf dem Weg zur Tür. Briefträger wollte wohl nur ins Haus (Berlin Pberg, Mitte – typisch), niemand antwortet mir. Ich laufe zurück, vergesse die Tür zuzumachen und setze mich an meinen Schreibtisch. Sekundenbruchteile, meine Hände fliegen wieder, die Tür geht auf und meine jetzige und künftige Exfreundin steht in der Tür, sie hat sich so aufreizend angezogen wie noch nie zuvor, und sie beendet in nur 25 Minuten unsere Beziehung, dennoch kommt sie zum Salon. Prima. Sie ist gegangen, ich denke darüber nach, ob ich etwas weinen sollte, fühlt sich sehr sympathisch an und der Gedanke drängt sich geradezu auf. Dann fällt mein Blick auf Antalia, gerade hatte ihre Cyberware die Kontrolle wieder aufgegeben und sie ihr Bewusstsein wiedererlangt, jetzt im Helikopter, ich bin Antalia, eine Frau und habe keine Exfreundin mehr. Was mache ich? Mein ehemaliger Feind und neuer Verbündeter hat den strategischen Vorteil, ich muss sofort die Initiative übernehmen, zahllose Extraktionen und Entführungen habe ich hinter mir … umstehenden Soldaten, indem ich die sozialen Muster militärischer Verhaltensweisen in Extremsituationen anwende, dafür sind sie anfällig. Der Erzmagier war mir unmittelbar gefolgt, es droht noch immer Gefahr.
Stunden später ist der Tee längst leer, in der Tür steht meine Mitbewohnerin, gleich kommen die ersten Gäste und ich wollte noch eine Fotografie und eine Kohlezeichnung von mir aufhängen. Egal, später wenn die Gäste da sind, jetzt erstmal in die Klamotten und gemeinsam Einkaufen, die ersten Gäste sind die zuverlässigsten – in meinem Leben bin ich wieder allein und das Buch will ohne Rücksicht auf Verluste zu Ende geschrieben werden, Morgen geht es weiter. -
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