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Wie ahnungs- und hilflose Menschen für die Wissenschaft brutal geopfert werden

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  • 31. August 2004 um 19:58 #119 Antwort

    Anonym

    Heutiges Thema: Wie ahnungs- und hilflose Menschen für die Wissenschaft brutal geopfert werden

    Aus einem wahren Briefe
    von Jeannine an Benjamin:

    …

    Letzte Woche habe ich wieder Versuchskaninchen für Silvia gespielt. Es ging um das legendäre Multifocale Elektroretinogramm, welches wohl die Aktivität der verschiedenen Rezeptoren bei unterschiedlicher Lichtintensität mißt… (!?).
    Nachdem ich diesen komischen kleinen abgedunkelten Raum nach 120 min. der Fragerei in der Klinik (knapp 20 Personen opferten sich) endlich gefunden hatte, wurde ich nach kurzer nüchterner Begrüßung seitens Silvia dem leitenden Arzt vorgestellt.
    Prof. Dr. Druidenratz, sein Name,- ein hagerer, unsympathisch wirkender alter Mann mit Gesichtsstarre, die kein Lächeln zuließ. Zur Begrüßung gab er mir seine knochige Hand und wies mich auf einen furchterregenden Stahlstuhl. Ich saß noch gar nicht, als mächtige Schnallen um meinen Hals, meine Arme und Beine zuschnappten, so daß keine Bewegung meinerseits mehr möglich war. Die Stille war unerträglich. Silvia vermied es, in meine Seele zu schauen. Ich war ihnen ausgeliefert!

    Auf einem Computer-Bildschirm sah ich nur undefinierbares, Scan-Bereiche und ein paar diverse Graphiken. Sie wollten meine rechtes Auge erproben. Ich hatte keine Wahl und genehmigte die Untersuchung. In beiden Augen wurde daraufhin massenweise Atropin gespritzt, nachdem man zuvor 293 Tollkirschen per Hand ausgequetscht und in deren Bestandteile aufgelöst hatte. Meine Pupillen nahmen rasch an Größe zu, vor mir verschwamm der Bildschirm, Prof. Dr. Druidenratz löste sich plötzlich in viele kleine Nebelwölkchen auf; ich sah nur noch Silvias breites, kaltes Grinsen.

    Ein eiskalter Lufthauch bahnte sich seinen Weg durch den dunklen Raum. „Jetzt lähmen wir Deine Ciliarmuskeln!“, schrie´s von hinten. Und eine stark brennende Flüssigkeit breitete sich in meinem rechten Auge aus. Die oberste Grenze meiner Schmerzempfindlichkeit schien schon fast erreicht, als schleichende zermürbende Lähmung die Bewußtseinsempfindungen verlagerte. “ Wir warten noch ein paar Minuten…“, Silvia stand mit unerkennbarem Kabelgewirr neben mir. Ich konnte ja nicht mehr allzu viel erkennen.

    Mit einer hautätzenden Salbe wurden zwei Stellen meiner Gesichtshaut behandelt – die Stirn und die rechte Wange. Beides ist jetzt nicht mehr vorhanden. Nach einer kurzen Prozedur und – dem Herr Gott sei Dank – Betäubungsmittel, wurden mir an den benannten Stellen zwei Elektroden angeheftet, die mich mit irgendeiner merkwürdigen Maschine und dem Scanner anschlossen. „Das Auge müßte jetzt so weit sein.“, – mit einer kurzen Handbewegung wurde mir das rechte Auge aufgerissen und eine riesige Kontaktlinse, die das halbe Auge umschloß, eingesetzt. Zum ersten Mal sprach ich ihnen meinen Dank dafür aus, daß sie mich menschlicherweise mit dem betäubenden Mittelchen versorgt hatten.

    Die Testphasen nahmen nun ihren Lauf: Vor meinem rechten Auge machte sich ein unansehnlicher kleiner schwarzer Kasten breit, der in seinem Inneren einen kleinen Bildschirm verbarg. „Du mußt jetzt ganz still und konzentriert sein. Konzentriere Dich auf den Punkt. Laß Dich bloß nicht vom Geflacker drumherum ablenken! Jede Konzentrationsschwäche führt zu Meßabweichungen und alle Aufzeichnungen werden unbrauchbar. Daher werden wir Dich immer daran erinnern. Wir fangen jetzt erst ganz locker mit einer Leuchtdichte von 100 cd/m² an. Das ist noch gar nichts. Langsam wird die Dichte auf 700 gesteigert. Also – immer schön auf den Punkt konzentrieren. Laß Dich nicht von den Schmerzen bei zunehmender Helligkeit ablenken!“

    Die 1. Phase begann: tausende kleine Sechsecke wechselten sich mit den Farben Schwarz und Weiß ab,- ein einziges Geflacker vor dem Auge! Da war er – der Punkt, den ich nicht aus dem Auge zu verlieren hatte. Der Punkt (Durchmesser etwa 2 mm) war in seiner Farbe nicht konsistent, was zur folge hatte, das es mir äußerst schwer fiel, den Inhalt oder den Umriß des Punktes im Ineinanderströmen der Schwarz-Weiß-Farben zu unterscheiden. Wusch! Ein spitzer Schmerz durchströmte meinen ganzen Körper – ich hatte mich nicht auf den Punkt konzentriert, verursacht durch die prekäre Frage, ob zu einem Punkt auch der Umriß gehöre, oder nur der Umriß…? – die Meßwellen schlugen auf dem Bildschirm – über diese Graphik war mein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlkörper, meine Gehirnausstülpung eingescannt – stark aus und die ganze erste Testphase war unbrauchbar.

    Ja,- was soll ich noch großartig erzählen? Im Laufe der Zeit (igs. ca. sechs Stunden) und im Laufe der Anzahl der Versuche nahm meine Konzentration unweigerlich ab, die Elektroschocks wurden daher immer stärker und ich betete und kniete innerlich vor Gott um Erlösung.
    Schließlich wurde ich aus dem Stahlstuhl befreit, nachdem man mir aus dem nun tödlich schmerzenden Auge die Mörderlinse entnahm.

    Mit einem harten Tritt in den Allerwertesten wurde mir zu verstehen gegeben, daß ich nun den Versuchsraum verlassen könne. Da ich immer noch nichts sehen konnte, tappte ich durch die große unüberschaubare Augenklinik. Angelte mich von einer Person zur nächsten und erfragte den rettenden Ausgang. Nach einer weiteren Stunde im Irrgarten zeichnete sich endlich der Umriß des Ausgangsportals vor dem linken Auge auf. Ein unvermitteltes Gleichgewichtsschwanken zwang mich in die Knie,- auf dem Boden kriechend erflehte ich das Öffnen der Tür und kroch ins Freie.
    Wie ein Blitz traf mich das grelle Sonnenlicht, wie ein spitzer, mit Gift getränkter Pfeil durchbohrte es mein rechtes Auge – nun weiß ich, wie ein Vampir fühlen muß – schnell beugte ich meinen Kopf in einen Schatten. Das Sonnenlicht war der blanke Tod. Weitere fünf Stunden harrte ich nun derartig verrenkt hinter einer großen Mülltonne aus – bis mir das Sonnenlicht nichts mehr anhaben konnte, und ich nachts einigermaßen beruhigt nach Hause gehen konnte.

    Autor: Jeannine

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