Magazin › Foren › Kunst & Kultur Forum › Rezension: Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant
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AnonymOhne Zweifel ein bahnbrechendes Buch, das nicht nur das Weltbild des kritischen Menschen an sich geprägt hat, sondern die Auffassung des Menschen seinerselbst zu verändern vermochte. Zeitzeugen sind Selbstmorde von so manchem Theologen der damaligen Zeit, denen die subjektive Erfahrung vom objektiven Irrglauben abgeschlagen wurde. Überhaupt ist das Buch der Anfang vom Ende einer religiös geprägten westlichen, mindestens aber europäischen Gesellschaft.
Auch bleibt festzustellen, dass ein reicher Erkenntnisschatz auf den fast 800 Seiten der typischen Ausgabe festgehalten ist (je nach Anmerkungen beliebig viele Seiten!!). Bedauerlich scheint indes die geringe Dichte von Aussagen, die sich nur mühselig aus den Bandwurmsätzen schälen. Einige Seiten Text muss der Leser gleichzeitig im Kopf präsent haben, um einen Gedankengang bis zu seiner Aussage verfolgen zu können. Extrem präzise scheint so manche Aussage sich selbst allzu ernst zu nehmen.
Jetzt stellt sich die Frage, mangelte es Kant an genialer Kraft des Reduktionsvermögen oder waren seine Aussagen so revolutionär, an sich, dass der Entwicklungsgrad entsprechend die Ausführungen als minimiert anzusehen sind. Vielleicht war der Schritt den Kant in Kritik der reinen Vernunft vollzieht ein so großer, dass erst der zeitliche und gedankliche Abstand die Trennung von Spreu und Weizen vermochte.
Ein Gutes scheint die ständige Wiederholung und Beleuchtung derselben Aussagen von verschiedenen Seiten zu haben: Sie zwingt dem Leser ein Verständnis der Materie gerade zu auf, ebenso wie das für Kant typische Vokabular, das fast immer eine gebeugte Bedeutung hervorholt. Unterhaltsam indes ist die kantsche Grammatik, welche zuweilen vermag große Sprünge klein darzustellen, was dem Buch im Allgemeinen nicht unterstellt werden kann.
Vielmehr werden große Sprünge gedanklicher Welten ebenso voluminös aufs Papier geführt, was der Qualität des Inhalts keinen Abbruch tut. Neben der anspruchsvollen Lektüre als Sprachschule der Logik bietet sich das Buch an, um den geistigen Wandel der Aufklärung nachvollziehen zu können. Dem Leser wird eine Welt des Kritikbegriffs vor der Aufklärung und ohne Trennung von Objektivem zu Subjektivem vorstellbar und die Konsequenz dieser Vorstellung möge euphorisches Staunen sein, wie weit der Weg unserer Kulturentwicklung war.
BZ -
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